Heute geht es darum, welche Lehren die deutschen Parteien aus dem Fall Österreich ziehen sollten. Um die peinliche Selbstinszenierung von Robert Habeck. Und darum, wie tief Mark Zuckerberg gesunken ist.
Macht’s nicht wie die Österreicher
Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, hat den Auftrag zur Regierungsbildung in Österreich erhalten. Der erste FPÖ-Kanzler wird kaum noch zu verhindern sein – wenn er denn will. Seine Forderungen an den möglichen Koalitionspartner ÖVP sind so demütigend, dass sie für die Konservativen kaum annehmbar sind. In Wien wird spekuliert, dass Kickl nicht regieren möchte, weil die Probleme des Landes so groß sind. Man wird sehen.
Aus deutscher Sicht ist die Frage, was der Fall Österreich für die deutschen Parteien bedeutet. CSU-Chef Markus Söder sieht in Schwarz-Grün die Ursache für den Aufstieg der FPÖ. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck wirft ihm deswegen Maulheldentum vor. Heute ist CDU-Chef Friedrich Merz bei der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten in Seeon zu Gast. Vermutlich findet er insgeheim, beide hätten einen Punkt.
Aber was lässt sich aus dem Wiener Chaos lernen? Zum einen, dass man die Brandmauer gegen rechts ernst nehmen muss, wenn man sie erhalten will. Die ÖVP hat das nicht getan. Was das für die Demokratie in Österreich bedeutet, wird sich zeigen.
FPÖ-Chef Kickl
Michael Gruber / Getty Images
Söder hat recht, dass es nicht wünschenswert ist, wenn so gegensätzliche Gruppierungen wie Grüne und Schwarze miteinander koalieren. Was aber macht man, wenn es weder eine bürgerliche noch eine linke Mehrheit gibt? Warum eine Große Koalition dann besser geeignet sein soll, die äußerste Rechte zu stoppen, erschließt sich mir nicht.
Nein, die Lehre für die etablierten deutschen Parteien muss eine andere sein. Wollen sie den Aufstieg der Rechtsradikalen verhindern, dann dürfen sie sich nicht gegenseitig dämonisieren, sondern müssen zusammenarbeiten, wenn es das Wahlergebnis nicht anders hergibt. Dass schwarz-grüne Bündnisse funktionieren können, zeigen die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen (das etwa doppelt so viele Einwohner hat wie Österreich) und Schleswig-Holstein. In beiden Landtagen ist die AfD übrigens viel schwächer als in Bayern.
Einen mildernden Umstand muss man Markus Söder bei seiner Bewertung der Grünen zugutehalten: Robert Habeck macht es einem nicht leicht. Man kann darüber streiten, ob es eine gelungene Guerilla-Aktion war, das Konterfei des grünen Kanzlerkandidaten illegalerweise auf das Münchner Siegestor zu projizieren, wie kürzlich geschehen. Die Polizei hat die Sache nach einer halben Stunde beendet, Kostenbescheid folgt.
Habeck-Werbung in München
Konstantin Weddige / dpa
Nicht streiten kann man über den darunter stehenden Wahlkampfslogan: »Bündniskanzler. Ein Mensch. Ein Wort.« Bündniskanzler? Was mag das sein?
Habeck hatte zuvor auf X Kostproben seiner Wahlkampagne gepostet: »Mein Vorsatz für 2025: Kanzler werden. Mensch bleiben.« Ist das zum Fremdschämen? Ich finde ja, aber das ist nicht der Punkt. Die interessante Frage ist, was das alles bedeutet. Und wen es eigentlich ansprechen soll.
Klassische Grünenwähler wohl eher nicht. Die fänden es wahrscheinlich gut, wenn ihr Kandidat sich mal klar dazu äußern würde, was er gegen den Klimawandel und die grassierende Abneigung gegen Flüchtlinge zu tun gedenkt, statt sich selbst zu feiern. Und die ehemaligen Merkel-Wähler, die mit Friedrich Merz fremdeln? Die dürften sich angesichts von so viel geballtem Polit-Kitsch überlegen, ob sie nicht doch wieder CDU wählen sollten.
Vielleicht doch schade, dass Söder nicht Kanzlerkandidat der Union geworden ist. Der Bündniskanzler gegen den Bratwurstesser: Das hätte das Duell werden können, das die Menschen elektrisiert.
Es gibt Nachrichten, die sind so empörend, dass man nicht weiß, worüber man sich zuerst aufregen soll. Die Meldung, dass es nach dem Willen von Multimilliardär Mark Zuckerberg auf Instagram und Facebook künftig kaum noch Faktenchecks geben soll, gehört dazu.
Zuckerbergs Entscheidung, die zunächst für die USA gilt, ist auf mehreren Ebenen skandalös. Zum einen ist sie ein weiterer Beleg für den grenzenlosen Opportunismus vieler Wirtschaftsbosse. Zuckerberg hatte sich einst gegen Trump gestellt und dessen Konten nach dem Sturm auf das US-Kapitol gesperrt. Doch gleich nach Trumps Wahlsieg im November eilte er in das Domizil des designierten Präsidenten nach Mar-a-Lago. Er holt zudem einen engen Vertrauten Trumps in den Meta-Verwaltungsrat. So weit, so erwartbar.
Der Kurswechsel bei Facebook und Instagram geht darüber hinaus. Früher inszenierte sich Zuckerberg als Kämpfer gegen Hass und Lüge im Netz. Jetzt behauptet er, Regierungen und »Altmedien« hätten zu lange daran gearbeitet, Menschen zu »zensieren«. Er wolle nun »freie Meinungsäußerung wiederherstellen«.
Trump-Freunde Musk, Zuckerberg
Frederic J. Brown; Brendan Smialowski / AFP
Es ist der Sound, den man von Elon Musk, an dem sich Zuckerberg orientieren will, schon länger hört. Wohin das führt, kann man auf Musks Plattform X beobachten: Der ohnehin rüde Debattenton hat sich weiter verschärft. Lügen, Verleumdungen und rechte Propaganda können in vielen Fällen ungeniert verbreitet werden. X wird immer stärker zur Plattform für radikale Propaganda.
Was mich ebenso erzürnt wie die Skrupellosigkeit von Musk, Zuckerburg und Co. ist die Untätigkeit der Politik – in den USA, aber auch bei uns. Zwar gibt es in der EU Regelungen, die die Verbreitung von Fake News und illegalen Inhalten sanktionieren. Aber Betroffene können ein Lied davon singen, wie schwer und langwierig es im Ernstfall sein kann, ihre Rechte auch durchzusetzen. Ich verstehe nicht, warum ein Thema, das für das Überleben der liberalen Demokratie zentral ist, die deutsche und die europäische Politik so wenig interessiert.
Vielleicht ist es für die meisten Politikerinnen und Politiker einfach zu kompliziert. Es hilft nicht, dass Teile der liberalen Netzcommunity bei jedem Versuch, die Gesetze der analogen Welt in der digitalen durchzusetzen, gleich Zensur schreien. Vielleicht führt ja die Tatsache, dass man damit mittlerweile klingt wie Musk und Zuckerberg, zu einem Umdenken.
Gegen Böllergewalt hilft nur die harte Hand: Erneut ist die Gewalt in Berlin an Silvester eskaliert. Der Senat hat schon bei Ausschreitungen in Schwimmbädern gezeigt, dass Härte hilft. Die Länder müssen endlich das Böllern verbieten können. (S+)
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Gewinner des Tages…
…ist die Stadt Hamburg. Sie ist die einzige deutsche Stadt, die es in die alljährliche Liste der »52 Places to Go« der »New York Times« geschafft hat. Allerdings sind es nicht Hafen, Elbphilharmonie oder Außenalster, mit denen Hamburg beeindruckte. Es ist der begrünte St.-Pauli-Bunker.
Bunker in St. Pauli
Thomas Lammeyer / imagebroker / IMAGO
»Die klobige Betonstruktur schützte 25.000 Einwohner, als die Stadt 1943 von den Alliierten bombardiert wurde«, schreibt Elaine Glusac, eine der Jurorinnen. Nun, nach einer fünf Jahre dauernden Renovierung, sei sie eine Attraktion mit einem Dachgarten, einem Hotel, Restaurants und einem Gendenkort für Naziopfer. Schön, dass hier eine gelungene Art der Vergangenheitsbewältigung gewürdigt wird.
Kanada weist Trumps Fusions-Drohung entschieden zurück: Donald Trump will nicht nur Grönland und den Panamakanal kontrollieren, er fabuliert auch über Kanada als 51. Bundesstaat der USA – notfalls mit »wirtschaftlicher Gewalt«. Aus Ottawa kommen deutliche Worte.
Hunderte Menschen zeigen faschistischen Gruß in Rom: 1978 wurden in Rom drei Neofaschisten erschossen. Seither wird Jahr für Jahr daran erinnert. Auch diesmal strecken wieder Hunderte den rechten Arm in die Luft. Die Polizei kündigte an, gegen die Teilnehmer vorzugehen.
Ajax verlängert mit Damián van der Vaart: 56 Mal traf Rafael van der Vaart für Ajax Amsterdam. Sein Sohn spielt bislang nicht in der A-Mannschaft, hat jetzt aber eine Verlängerung für seinen
Posten in der U19 erhalten.
Diese Geschichte möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:
Wohnblock der Charité in Berlin-Pankow: »Wir hätten Bedarf für sieben solcher Häuser«
Gordon Welters / DER SPIEGEL
Die Renaissance der Werkswohnungen: Oft sagen Fachkräfte neue Jobs ab, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. Unternehmen bauen oder mieten deshalb immer häufiger selbst Immobilien für ihre Angestellten. In ganz Deutschland wird wieder auf solche Projekte gesetzt: »Das Mitarbeiterwohnen erlebt ein Comeback«, sagt Simon Wieland vom Berliner Beratungsinstitut Regio-Kontext. Er schätzt, dass jährlich etwa 10.000 neue Firmenwohnungen entstehen. Meine Kollegin Maren Hoffmann und mein Kollege Henning Jauernig haben sich angeschaut, was passiert,
wenn der Chef zum Vermieter wird (S+).
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