Heute geht es um den Israel-Iran-Krieg, in dem die Europäer auf Diplomatie setzen – zum Ärger des US-Präsidenten. Um tödliche Angriffe bei der Essensverteilung in Gaza. Und um Putin, der die ganze Ukraine beansprucht.
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Trump will keine Hilfe von den Europäern – aber was bedeutet seine Zweiwochenfrist?
In Genf suchten die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens sowie EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas am Freitag das Gespräch mit Irans Außenminister Abbas Araghchi. Ziel: ein diplomatischer Ausweg aus dem Israel-Iran-Krieg, bevor Präsident Trump entscheidet, ob die USA sich militärisch beteiligen. Ein Durchbruch blieb aus. Araghchi will sich nächste mit den Europäern erneut treffen, stellte aber klar, dass man mit den USA erst wieder verhandeln werde, wenn Israels Angriffe aufhören. Während die Europäer auf einen neuen Atomdeal mit »null Urananreicherung« drängen, ließ Trump sie bereits abblitzen: »Europa wird hier nicht helfen können.« Er sinnierte darüber, dass es schwierig wäre, Israel zu stoppen, »wenn sie gewinnen«.
Johann Wadephul in Genf: Der deutsche Außenminister und seine Kollegen aus Frankreich und Großbritannien setzen auf weitere Verhandlungen mit Iran
Fabrice Coffrini / AFP
Doch so entschieden Israels Luftwaffe derzeit in Iran zuschlägt – es bleibt fraglich, ob sich eine dauerhafte Lösung des iranischen Atomprogramms wirklich herbei bomben lässt. Irans Nuklearprogramm ist mittlerweile fast 70 Jahre alt, es begann unter dem Schah. Tausende Wissenschaftler und Techniker haben daran gearbeitet, und die Technologie selbst ist kein Geheimwissen. Wer sie schon einmal hatte, kann sie wiederherstellen. Was dauerhaft schützt, sind keine Bunkerbrecher, sondern ein Abkommen mit umfassenden Inspektionen. Alles andere wäre ein kurzer Sieg – und ein langfristiges Risiko (
hier mehr dazu (S+)).
Die Frage, die sich alle Beteiligten stellen, ist, was hinter Trumps Ankündigung steckt, eine Entscheidung über US-Angriffe »innerhalb der nächsten zwei Wochen« zu fällen. Denn Donald Trump hat im Verlauf seiner Karriere unzählige Male angekündigt, in »zwei Wochen« eine Entscheidung zu treffen – oft, ohne dass je etwas geschah. Late-Night-Shows wie die von Jimmy Kimmel zeigen bereits Zusammenschnitte seiner unzähligen »Two Weeks«-Ankündigungen. Die »New York Times« beschreibt die Zeitspanne als das Gegenteil eines Versprechens: »Es ist kein objektives Maß, sondern ein metaphysisches. Es bedeutet später. Oder nie.« Auch im Irankrieg bleibt also offen, ob Trump in zwei Wochen wirklich entscheidet – oder einfach die Uhr neu stellt.
Im Schatten des Irankriegs eskaliert die humanitäre Krise in Gaza weiter. Allein am Freitag sollen 25 Menschen getötet worden sein, als israelische Truppen auf Menschen nahe einer Essensausgabestelle der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) schossen. Die israelische Armee erklärte, sie habe auf bewaffnete Verdächtige in der Menge gezielt und einen Luftschlag durchgeführt, räumte jedoch ein, dass dabei auch Unbeteiligte verletzt worden sein könnten. Laut palästinensischem Zivilschutz wurden allein in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen bei ähnlichen Vorfällen getötet.
Nahrungsuchende Palästinenser in Gaza
Abed Rahim Khatib / Anadolu Agency / IMAGO
Es ist ein Skandal, dass regelmäßig Menschen bei der Essensverteilung getötet werden – und alles nur, weil die israelische Regierung keine Hilfskonvois von regulären Hilfsorganisationen und der Uno mehr in den Gazastreifen lässt.
Das Uno-Kinderhilfswerk Unicef kritisiert das neue GHF-System scharf. Die Verteilung sei unkoordiniert, die Orte liegen teils in Kampfzonen, es gebe widersprüchliche Informationen über Öffnungszeiten – mit tödlichen Folgen. Unicef schlägt zudem Alarm wegen der Unterernährung von Kindern: Allein im Mai wurden demnach über 5100 Kinder unter fünf Jahren wegen akuter Mangelernährung behandelt – ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum April. Nur noch 40 Prozent der Trinkwasser-Infrastruktur seien funktionstüchtig, der Gazastreifen stehe kurz vor einer »menschenverursachten Dürre«. Sprecher James Elder warnte: »Kinder werden bald an Durst sterben, wenn sich nichts ändert.« Laut Unicef hungern derzeit über eine halbe Million Menschen im Gazastreifen (
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Während viele im Westen weiterhin auf Friedensverhandlungen zur Ukraine hoffen, hat Wladimir Putin beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg seine imperiale Sicht auf die Ukraine so offen ausgesprochen wie lange nicht. Auf der Bühne sagte der russische Präsident: »In dem Sinn ist die ganze Ukraine unser.« Eine rhetorische Rückkehr zu jenem ideologischen Narrativ, mit dem er bereits 2021 die groß angelegte Invasion vorbereitet hatte – mit seinem Essay »Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern« (warum Putin seinem Verbündeten Iran nur mit Worten beispringt,
lesen Sie hier (S+)).
Präsident Putin während seiner Rede auf einem Bildschirm des Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg
Dmitri Lovetsky / AP
Warum das zählt: In einer Zeit, in der viele auf Verhandlungen und eine mögliche Friedenslösung hoffen, ist es wichtig, Putins Worte ernst zu nehmen. Seine Äußerungen zeigen, dass sich an seinem grundlegenden Ziel seit 2022 nichts geändert hat: Putin beansprucht nicht nur einzelne Gebiete, sondern die gesamte Ukraine – nicht aus territorialem Interesse allein, sondern aus einem ideologischen Anspruch heraus. Es geht um die Negation ukrainischer Eigenstaatlichkeit. Wer auf einen dauerhaften Frieden hofft, muss sich mit dieser Haltung auseinandersetzen.
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Gewinner des Tages…
Auto des Mobilfunkherstellers Xiaomi in Peking
Andy Wong / AP
…ist das chinesische E-Auto. Ich war gerade in China – und fasziniert von der Omnipräsenz der Elektromobilität. Bekannte Marken wie BYD, gelegentlich Teslas, sind überall. Doch auf den Straßen von Peking und Shanghai fahren zahllose Modelle von Marken, deren Namen man in Europa noch nie gehört hat – viele davon stammen von Batterieherstellern, von Mobilfunkfirmen oder Tech-Start-ups, die kurzerhand ins Autobusiness eingestiegen sind. Es wirkt, als würde eine ganze Branche gerade im Schnelldurchlauf entstehen.
In vielen Regionen Chinas haben neue Hersteller in kurzer Zeit Tausende Jobs geschaffen, Städte verändert, ein industrielles Selbstbewusstsein aufgebaut. Es herrscht ein wilder, fast anarchischer Preis- und Technologiekampf – mit enormer Geschwindigkeit und Experimentierfreude. Manche Modelle wirken futuristisch, manche wirken wie halbfertige Prototypen, aber fast alle sind elektrisch.
Wer in Deutschland in der Automobilbranche arbeitet, sollte sich dringend auf den Weg machen – eine Reise nach China ist Pflicht, um zu begreifen, wie sehr sich das globale Machtzentrum der Mobilität gerade verlagert. Was diesen Umbruch zusätzlich beschleunigt: In China bremst kein ideologisch aufgeladener Kulturkampf über E-Mobilität die Entwicklung. Die Menschen fahren einfach – elektrisch. Die Industrie liefert, die Kunden steigen um. Und das in einem Tempo, bei dem einem als Europäer ein bisschen schwindelig wird.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Trump sieht USA bei neuem Nato-Ausgabenziel nicht in der Pflicht: Der US-Präsident macht Druck auf die Nato-Staaten, dass sie ihre Ausgaben für Verteidigung auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung erhöhen. Eine Ausnahme will Donald Trump aber machen – für sein eigenes Land.
US-Richter ordnet Freilassung von Mahmoud Khalil an: Bei ihrem harten Vorgehen gegen Pro-Palästina-Proteste an den Universitäten ließ die US-Regierung Mahmoud Khalil verhaften. Es war die erste prominente Festnahme. Unrechtmäßig, wie ein Richter jetzt festgestellt hat.
Reiche warnt vor zu viel Optimismus bei der Konjunktur:
Der Präsident der Bundesbank hat es zuletzt für möglich gehalten, dass Deutschlands Wirtschaft in diesem Jahr leicht wächst. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche äußerte sich jetzt zurückhaltend.
Heute bei SPIEGEL Extra: Die waghalsige Flucht des Chen Ye
Chen Ye am Strand des kolumbianischen Karibikortes Necoclí
Gerald Bermudez / DER SPIEGEL
Nur weg aus China: Zehntausende Chinesen machen sich auf den Weg, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sehen. Pekings Häscher im Nacken nehmen sie immer größere Risiken in Kauf. Wenn Sie heute nur eine Geschichte lesen, dann: »Für mich gibt es keinen Weg zurück« von Marian Blasberg und Christoph Giesen. Meine beiden Kollegen begleiten darin den chinesischen Buchhalter Chen Ye auf seiner Flucht aus einem Land, das ihm keine Zukunft mehr bietet – quer durch acht Länder, durch Sümpfe, Flüsse und Behörden, vom Dschungel Panamas bis in die USA.
Hier lesen Sie, wie der SPIEGEL Chen Ye auf seiner Odyssee in die USA begleitet (S+)hat (S+).
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende.
Herzlich, Ihr Mathieu von Rohr, Leiter des SPIEGEL-Auslandsressorts
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