Einen Monat alt – Was Ihr Kind kann, lernt und braucht
Freitag, 1. November 2024
Lea Wolz
Ressort Gesundheit
Liebe Leserin, lieber Leser!
Keine Frage, die ersten Wochen sind anstrengend. Was Sie meistern, verdient Respekt. Klopfen Sie sich ruhig ab und an mal auf die Schulter. Oder stellen Sie sich einmal kurz vor: Sie haben ihren Job gewechselt, sind in ein fremdes Land gezogen. Die Nächte hier sind kurz, immer wieder passiert etwas Neues – und auf das Sie schnell reagieren müssen. Die Sprache verstehen Sie nur rudimentär. Würden Sie von sich fordern, dass alles von Sekunde Null an perfekt läuft? Was Sie brauchen, ist Zeit, Übung und Geduld.
Auch im Umgang mit dem Baby.
Gut, dass Sie in dem Anfangschaos darauf bauen können: So hilflos und schwach Ihr Kind wirkt, es hat von Anfang an Fähigkeiten, die sein Überleben und Ankommen in der Welt sichern und ihm helfen, den Kontakt zu den Eltern aufzubauen.
Und auch Sie als Mutter oder Vater dürfen beruhigt sein: »So groß und tiefgreifend die Veränderung ist, Entwicklung geht in den allermeisten Fällen auf wundersame Weise gut«, sagt Kinderarzt Thorsten Langer, Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums an der Uniklinik Freiburg. »Eltern können darauf vertrauen, dass auch in ihnen von Natur aus etwas angelegt ist, das sie meist intuitiv richtig handeln lässt.«
Nicht zuletzt: Üben Sie auch Nachsicht mit sich selbst, wenn im Haushalt das Chaos nicht mehr zu bändigen ist. Die Wäsche kann auch mal warten, es gibt momentan Wichtigeres.
Was kann und lernt das Kind?
Auch wenn es noch gar nicht so lange auf der Welt ist, Ihr Kind kennt seine Eltern mittlerweile schon gut: am Geruch, an Ihrer Stimme und der Art, wie Sie es halten. Ihr Gesicht ist ihm ebenfalls vertraut, denn Sie haben Ihr Kind wahrscheinlich intuitiv genau in dem richtigen Abstand angeschaut und hochgehalten, in dem es Sie sehen und Ihren Blick aufmerksam erwidern kann. Strampelt Ihr Kind oder bewegt seine Ärmchen, wirkt das vermutlich noch sehr unbeholfen, ruckartig und unkoordiniert.
Der ganze Körper ist an der Bewegung beteiligt, die Händchen sind meist noch zu Fäusten geballt. Wahrscheinlich konnten Sie aber schon in den ersten Wochen kleine Fortschritte beobachten, die Muskeln werden schnell kräftiger, die Koordination nimmt zu. Mittlerweile gelingt es Ihrem Kind wahrscheinlich, sein Köpfchen kurz allein zu heben – etwa, indem es in der Bauchlage das Kinn von einer Seite auf die andere legt. Das Köpfchen müssen Sie dennoch stützen, wenn Sie das Baby aufnehmen. (Lesenswert hier: »
Das Baby richtig hochnehmen und hinlegen« von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.) Hört es ein Geräusch, wendet es auf dem Rücken liegend seinen Kopf in die Richtung. Um sich zu beruhigen, bringt es seine Hand zum Mund und saugt daran.
Nicht nur Ihr Kind, auch Sie haben in den vergangenen Wochen sicher einiges gelernt: Am Anfang war wahrscheinlich vieles noch ungewohnt, doch vielleicht sind Sie schon besser darin, Ihr Kind »zu lesen«, sein Schreien zu unterscheiden. Auch das Stillen oder Flaschegeben verbessert sich meist, je mehr Sie üben.
Und Sie haben sicher auch schon gemerkt: Bereits Babys haben unterschiedliche Temperamente. Vielleicht haben Sie Glück, und Ihr Kind entwickelt schnell stabile Rhythmen, vielleicht sind Essen und Schlafen aber auch noch länger sehr unregelmäßig. Der eine Säugling reagiert interessiert auf Neues, schreit wenig und beruhigt sich mithilfe der Eltern schnell. Der andere ist häufiger aufgewühlt, reagiert öfter negativ auf neue Reize, weint und lässt sich nur schwer trösten. All das ist normal.
Auch Eltern mit einem sanften Charakter können ein Kind bekommen, das ein ganz anderes Temperament hat als sie.
Wie kann ich mein Kind in seiner Entwicklung unterstützen?
Schlafen, schreien, essen, pupsen und sich langsam an die neue Umwelt anpassen - viel mehr beschäftigt Ihr Baby gerade nicht. Seien Sie einfach da, sorgen Sie dafür, dass seine Grundbedürfnisse gestillt werden. Lernen Sie, den Winzling einfühlsam zu verstehen, liebevoll und zeitnah auf seine Rückmeldungen zu reagieren und von Anfang an über Mimik, Ansprache und Nähe in einen Dialog mit ihm zu treten. »Unser Gehirn ist ein Beziehungsorgan«, sagt Florian Heinen, Kinderarzt, Neurologe und Direktor am integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München. Der Kontakt, vor allem der Blick- und Körperkontakt, ist wichtig.
Fällt Ihnen das schwer, etwa, weil Sie unter einer postpartalen Depression leiden, holen Sie sich möglichst schnell Hilfe.
Die meiste Zeit hat Ihr Kind die Augen wahrscheinlich noch zu. Babys schlafen in dem Alter noch viel, 16 bis 18 Stunden am Tag, wach sind sie nur wenige Stunden. Das aber leider auch in der Nacht, wenn sie hungrig sind, die Windel voll ist oder sie etwas beunruhigt.
»Wenn das Kind wach, aktiv und aufnahmebereit ist, nutzen Sie das, und beschäftigen Sie sich mit ihm«, sagt Birgit Elsner, Leiterin der Abteilung Entwicklungspsychologie an der Universität Potsdam. Legen Sie es auf Ihren Bauch oder die angewinkelten Oberschenkel (Tipps zu »Wie halte ich das Baby?«, finden Sie hier
), sprechen und kuscheln Sie mit ihm. »Hautkontakt und Streicheln finden schon Babys schön, Summen und sanfte Berührungen sind ungemein stimulierend«, sagt Elsner. Besonders empfindsam sind Handflächen und Fußsohlen.
Das Kind liebt es auch, Ihr Gesicht zu entdecken, es zu mustern und Sie anzuschauen, auch wenn der Blick durch die mangelnde Sehschärfe noch benommen wirkt. Alles, was sich bewegt, ist ebenfalls spannend – etwa ein Mobile über dem Kinderbettchen oder eine Rassel, die über seinem Gesicht schwebt und die es langsam mit den Augen verfolgen kann. Allerdings gelingt das noch nicht wirklich gut. Das Baby muss erst noch lernen, Objekte zu fixieren und sie auch wieder loszulassen. »Noch bleibt es manchmal mit seinem Blick regelrecht daran kleben«, sagt die Psychologin. Aber all das verbessert sich in den ersten Wochen bis Monaten.
Zum Schlafen gehört Ihr Kind auf den Rücken gelegt, nicht auf den Bauch. Auf dem Rücken zu schlafen senkt das Risiko für den plötzlichen Kindstod.
Wenn Ihr Kind wach ist und Sie dabei sind, sollten Sie allerdings zwischen Rücken- und Bauchlage wechseln. Noch braucht es dafür Ihre Hilfe: Wie ein kleiner Käfer liegt es auf dem Rücken fest. Umdrehen ist sinnvoll. Ab und an in der Bauchlage zu liegen, beugt nicht nur einer Verformung des Köpfchens vor, es gibt dem Winzling auch die Chance, seine Rücken- und Nackenmuskulatur zu trainieren. Und wenn Sie vor ihm sprechen, ist das vielleicht ein Anreiz, sein Köpfchen leicht anzuheben – damit es Sie sieht.
Generell gilt: Achten Sie auf die Signale Ihres Babys. Manches lauscht lieber Ihrer Stimme, manches genießt das Halten und Streicheln, ein anderes mustert mit Vorliebe Ihr Gesicht. Lange aktiv zu sein fällt allerdings schwer. Nehmen Sie das Kleine daher ernst, wenn es Ihnen signalisiert, dass es vorerst genügt. »Wenn es sich abwendet, einschläft oder auch weint, zeigt es Ihnen, dass es Ruhe braucht«, sagt Elsner. »Dann muss es erst einmal verarbeiten, was es erfahren und gelernt hat.«
Wichtige Untersuchungen
In der vierten bis fünften Lebenswoche findet die U3 statt. Dabei überprüft der Kinderarzt unter anderem, ob das Baby schon in Bauchlage den Kopf halten kann oder aufmerksam nahe Gesichter betrachtet. Auch Schlaf, Trink- oder andere Probleme des Babys können Sie besprechen. Der Arzt berät Sie zum Stillen oder auch dazu, wie sich das Risiko für den plötzlichen Kindstod senken lässt oder was bei Schreibabys hilft. Auch das Thema Impfen bespricht er mit Ihnen. Nehmen Sie sich dafür Zeit, und lassen Sie sich in Ruhe beraten.
»Die U-Untersuchungen sollten Eltern als eine positive Zeitspanne mit ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt sehen«, sagt Heinen. So lasse sich Vertrauen aufbauen, bevor eventuell einmal ein Notfall eintritt. Nicht zuletzt: »Ist die Praxis auch noch so voll, der Arzt hat nun ausreichend Zeit für Sie und Ihr Kind und alle Fragen, die auftauchen.«
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