Trump hetzt gegen alles, was zum Schutz des Planeten beiträgt. Die chinesische Regierung wird beim Thema immer mehr zum Fels in der Brandung. Und die EU ist weiter uneins.
ANZEIGE
US-Präsident Donald Trump hat diese Woche vor der Weltgemeinschaft den Klimawandel als »größten Betrug aller Zeiten« bezeichnet. Er schob hinterher: »Sie sagten, die globale Erwärmung würde die Welt zerstören. ... Aber dann wurde es kälter.« Der mächtigste Mann der Welt erzählte bei der Uno-Generalversammlung
in New York so viel Unsinn, dass weder Faktenchecker noch die Staats- und Regierungschefs von über 100 Ländern hinterherkamen.
Mein Kollege Christian Esch vergleicht Trumps Ansprache (S+) vom Mittwoch mit den »Rüpeleien des Kremlherrschers Nikita Chruschtschow
«. Die Rede, schreibt er, werde als »Wirrheit und Taktlosigkeit, in ihrem kindischen (oder soll man sagen: greisenhaften?) Sich-gehen-Lassen in die Geschichte der Vereinten Nationen eingehen«.
Trumps Regierungsstil erinnert an den berühmten Roman »1984« von George Orwell. Wie in dem dystopischen Klassiker, in dem die Wahrheit durch die Macht des Staates manipuliert wird, inszeniert sich Trump als Hüter einer alternativen Realität, in der Fakten keine Rolle spielen und einzig die eigene Ideologie zählt. Der Klimawandel wird zum »Gedankenverbrechen«, und wer ihn ernst nimmt, ist Teil einer angeblichen Verschwörung. Es ist eine perfide Logik, die nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der Glaubwürdigkeit der USA auf der Weltbühne schadet.
China lässt sich nicht beirren
Die zweite Supermacht des Planeten bringt sich zugleich in Stellung. China ist ein zutiefst ideologischer Staat. Dort gibt es eine Art »Gedankenpolizei«, es mangelt an Pressefreiheit, und die Kommunistische Partei hat immer das letzte Wort. Doch beim Thema Energiewende ist der chinesische Staatspräsident Xi Jinping im Gegensatz zu Trump komplett unideologisch, ja pragmatisch.
Sein Land werde »alle Anstrengungen unternehmen, um es besser zu machen«, sagte Xi in einer Videoansprache auf der Uno-Generalversammlung diese Woche. »Der grüne und kohlenstoffarme Wandel« sei »der Trend unserer Zeit«. Das Staatsoberhaupt fügte hinzu: »Auch wenn einige Länder dagegen vorgehen, muss die internationale Gemeinschaft den Kurs halten.«
Videoschalte von Xi Jinping: Energiewende ist »Trend unserer Zeit«
Dominic Lorrimer / THE SYDNEY MORNING HERALD / dpa
Xi verkündete bei der Debatte in New York neue Klimaziele. Bis 2035 sollen die Netto-Treibhausgasemissionen um sieben bis zehn Prozent im Vergleich zum Höchststand sinken. Das ist zwar wenig ambitioniert, doch Analysten sehen Fortschritte.
Zum ersten Mal formulierte China absolute Reduktionsziele, die alle Sektoren und Treibhausgase umfassen. Die bisherigen Ziele konzentrierten sich darauf, den Höchststand des CO₂-Ausstoßes spätestens bis 2030 zu erreichen und bis 2060 klimaneutral zu werden. Es fehlten klare Vorgaben für die Zeit zwischen 2030 und 2060.
Zahlen sprechen zudem dafür, dass sich China an die Spitze der globalen Energiewende gesetzt hat. Bis 2035 will das Land seine Kapazitäten für Solar- und Windenergie auf gigantische 3600 Gigawatt ausbauen, das Sechsfache der Leistung von 2020. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres baute das Land 290 Gigawatt Kraftwerkskapazität hinzu, davon war der überwiegende Teil Solarenergie. Zum Vergleich: In Deutschland betrug die gesamte installierte Kapazität erneuerbarer Energien Ende 2024 knapp 190 Gigawatt, wie die Bundesnetzagentur im Januar
bekannt gab.
»Chinas Klimaziel-Logik folgt zentraler Planung: Konservative, aber verbindliche Leitziele senden innenpolitisch starke Signale und zeigen ernsthaften Willen«, so sagt Barbara Pongratz, Expertin für deutsch-chinesische Klimadiplomatie bei der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Andere hingegen sehen das Ziel kritischer, der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte: »Dieses Ambitionsniveau ist eindeutig enttäuschend.«
Neben Solar- und Windenergie setzt China zugleich auch weiter massiv auf Kohle.
Im ersten Halbjahr 2025 wurden Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 21 Gigawatt ans Netz genommen – ein Rekordwert seit 2016. Diese Doppelstrategie von fossilem und erneuerbarem Wachstum zeigt Chinas Ambitionen, aber auch seine Widersprüche.
Immerhin: Im Gegensatz zur Europäischen Union hat China neue Klimaziele eingereicht. Bei der Uno müssen die Länder laut dem Pariser Weltklimaabkommen alle fünf Jahre nationale Emissionspläne vorlegen, sogenannte national festgelegte Beiträge (NDCs).
Das Klimaziel für 2035 sollte eigentlich bis spätestens Ende September bei der Uno eingegangen sein. Doch die Europäische Union ist zerstritten, auch hier blockieren vor allem rechte Klimaschutzbremser und Staaten mit ihren Partikularinteressen wie Frankreich die Vorschläge der EU-Kommission (mehr dazu lesen Sie in diesem Klimabericht).
Ursula von der Leyen während der Uno-Generaldebatte: Die EU hat immer noch keine neuen Klimaziele an die Uno abgegeben
Charly Triballeau / AFP
Der deutsche Umweltminister Carsten Schneider erklärte: »Die EU hat in New York angekündigt, ihr neues Klimaziel noch vor der Weltklimakonferenz in Brasilien vorzulegen«, so Schneider. »Es ist wichtig für die Glaubwürdigkeit Europas, dass das klappt.«
Dass Europa später dran ist als China, Australien, Brasilien oder Großbritannien, ist ziemlich peinlich für den einstigen Klimavorreiter.
Hier finden Sie eine Übersicht, wer schon geliefert hat – und was die eingereichten Ziele wert sind.
Der späte Versuch einer Kehrtwende
Hinzu kommen Probleme in einem noch ganz anderen Bereich. Rohstoffe wie seltene Erden, Kupfer und Lithium sind in der EU Mangelware und zugleich unverzichtbar für klimafreundliche Technologien wie Solarmodule und Batterien. Europa hat drei Jahrzehnte lang zugesehen, wie nahezu die gesamte Branche der erneuerbaren Energien nach Asien abwanderte – vorwiegend nach China. Dort produzieren Hersteller zu Preisen, mit denen europäische Firmen nicht konkurrieren können. Die Folge: Seit Jahren melden europäische Unternehmen reihenweise Insolvenzen an. Über 90 Prozent der Solarmodule stammen heute aus China, selbst bei Windkraftanlagen dominieren Komponenten von dort den Markt.
Die EU-Kommission hat das Ausmaß der Abhängigkeit erkannt und versucht, mit dem Net Zero Industry Act gegenzusteuern – einer Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act, den Trump inzwischen teilweise zurückgenommen hat. Bis 2030 sollen 40 Prozent des europäischen Bedarfs an erneuerbaren Energien aus eigener Produktion kommen. Das Instrument: Subventionen und ein Bonus für Unternehmen, die Solar-, Wind-, Batterie- oder Wasserstofftechnik in Europa herstellen. Doch die Umsetzung ist kompliziert. Anders als die USA ist die EU ein Verbund aus 27 Staaten mit unterschiedlichen Interessen und Geschwindigkeiten. Ohne einheitliche Standards drohen die Maßnahmen wirkungslos zu bleiben.
Es gilt auch in der Klimapolitik: Europa muss beweisen, dass es geschlossen handeln kann – oder es bleibt dauerhaft Chinas Juniorpartner in der Energiewende.
Wenn Sie mögen, informieren wir Sie einmal in der Woche über das Wichtigste zur Klimakrise – Storys, Forschungsergebnisse und die neuesten Entwicklungen zum größten Thema unserer Zeit. Zum Newsletter-Abo kommen Sie hier.
Solarpark in Schleswig-Holstein: Fast alle Technik kommt aus China
Waldverlust in Deutschland massiver als bisher angenommen Umwelteinflüsse und Schädlingsbefall: Seit 2017 sind in Deutschland mehr als 900.000 Hektar Wald verloren gegangen. Besonders betroffen ist unter anderem der Harz, wie aus Satellitendaten hervorgeht.
Komplementärin SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Sitz und Registergericht Hamburg HRA 61 755
Komplementärin Rudolf Augstein GmbH, Sitz und Registergericht Hamburg, HRB 13 105 Geschäftsführung: Thomas Hass (Vorsitzender), Stefan Ottlitz Ericusspitze 1, 20457 Hamburg, Amtsgericht Hamburg, HRA 123 261, Umsatzsteuer-ID: DE 212 442 423. Verantwortlicher i. S. v. § 18 Abs. 2 MStV: Dirk Kurbjuweit