Kurz vor Weihnachten haben CDU und Grüne ihre Wahlprogramme vorgelegt. Zwar wird schon jetzt Kritik laut an einer möglichen Koalition, doch bei grundlegenden Zielen gibt es Gemeinsamkeiten.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will sie nicht und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auch nicht: Eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene nach den Neuwahlen im Februar 2025. Letzterer warnte, dass ein solches Bündnis die »politischen Ränder« stärken könnte. Während Söder erfahrungsgemäß recht wankelmütig ist, gilt Linnemann seit jeher als eingefleischter Energiewendekritiker.
Bereits unter der letzten Merkel-Regierung wurde Linnemann bundestagsintern als Teil des »Bermudadreiecks der Energiewende« bezeichnet, das jeden (klimapolitischen) Fortschritt schlucke (gemeinsam mit den Unionsabgeordneten Thomas Bareiß und Joachim Pfeiffer). Er lenkte auch gern von Klimaschutzforderungen ab, indem er behauptete, dass es dem Klima doch egal sei, »ob in Deutschland oder Bangladesch die Luft verpestet wird«.
Auch an der Basis der Grünen und in der Klimabewegung dürften sich recht wenige Fans für eine schwarz-grüne Koalition finden. Klimaaktivistinnen und Aktivisten kritisierten das Wahlprogramm der Grünen in dieser Woche als bisher nicht ausreichend, eine Koalition mit der CDU würde weitere Kompromisse bedeuten. Eine Forderung der Aktivisten ist etwa ein Gasausstieg – ein rotes Tuch für die Union.
Dennoch ist Schwarz-Grün derzeit rein rechnerisch eine von zwei möglichen Optionen. Beispiele dieser Kombi gibt es bereits in Baden-Württemberg (hier als grün-schwarze Koalition unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann) sowie Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Und pragmatisch gedacht ist das wohl auch im Bund die einzige Möglichkeit, Energiewende und Klimaschutz weiter voranzutreiben.
Klimabewegung: Kein Wahlkampfprogramm ist beim Klimaschutz ausreichend
Tobias Schlie / REUTERS
Die drei Parteien (CDU, CSU, Grüne) haben in dieser Woche ihre Wahlprogramme vorgestellt. Es lohnt ein Blick darauf, bei welchen zentralen Punkten sie beim Klimaschutz zusammenkommen und wo es Unvereinbarkeiten gibt.
Unterschiede und rote Linien:
Atomkraft: Die Grünen halten Atomkraftwerke »weder für das Erreichen der Klimaziele noch für die Versorgungssicherheit für notwendig«. Die Union will »die Option Kernkraft« prüfen. Im Gegensatz zu sonstigen Pro-Atomkraft-Rufen von den Konservativen klingt das Wahlprogramm jedoch zurückhaltender. Eine Wiederaufnahme der Atomkraft sei nur unter »vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand« möglich. Da dies laut Experten nicht der Fall ist, könnte sich diese Meinungsverschiedenheit aber ausräumen lassen.
Heizungsgesetz: »Das Heizungsgesetz der Ampel schaffen wir ab«, schreibt die Union. Die Grünen haben es 2023 allerdings unter vielen Mühen eingeführt, es sieht unter anderem einen Anstieg der Wärmequellen aus erneuerbaren Energien auf 65 Prozent vor und einen schrittweisen Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen. Die Grünen wollen das Gesetz weiterführen und »Förderprogramme weiter ausbauen«.
EU-Verbrenner-Aus ab 2035: Ab diesem Datum sollen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennermotoren mehr zugelassen werden. Die Grünen stehen hinter dem Beschluss, die Union will ihn »rückgängig« machen.
Punkte, bei denen CDU und Grüne sich treffen könnten:
Klimaneutralität 2045: Dieses Ziel hat die Union »fest im Blick« und die Grünen »halten daran fest«. Hier besteht also Konsens.
Pariser Klimaziele einhalten: Auch hier besteht Konsens. Die Grünen folgern daraus eine konsequente Umsetzung des europäischen Green Deal, die Union stellt darauf ab, dass das »die Weltgemeinschaft nur gemeinsam lösen kann«. Diese Formulierung ist vielleicht zur Beruhigung von konservativen Wählerinnen und Wählern (klingt nach Linnemann) gedacht, und auch Formulierungen wie, dass man das Ziel »unbedingt mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und der Notwendigkeit der sozialen Tragfähigkeit« verbinden will, sind eher Worthülsen als eine Abgrenzung.
Emissionshandel: Die Union hat dazu ein ganzes Unterkapitel und nennt ihn als DAS Instrument, um CO₂ »effizient« zu reduzieren. Die Grünen sind ebenfalls dafür, betonen aber, dass es dennoch zusätzlich »gezielte Förderung für Wirtschaft und Haushalte bis hin zum Ordnungsrecht« (gemeint ist staatliche Regulierung) brauche. Letzteres will die Union etwas weniger, doch auch hier kommt es auf die konkrete Maßnahme an. Ergo: alles Verhandlungssache.
Klimageld, Klimabonus: Beide Parteien wollen den Klimaschutz sozial flankieren. Die Grünen mit einem jährlich auszahlbaren Klimageld, die Union mit der Senkung der Stromsteuer und Netzentgelten. Auch hier könnte man sich irgendwo in der Mitte treffen.
Bei den Klimazielen sind sich beide Parteien also ziemlich einig, nur nicht beim Weg, sie zu erreichen. Als einziges konkretes Klimaschutzinstrument erwähnt die Union in ihrem Programm den EU-Emissionshandel. Nimmt man diesen ernst, müssen aber auf nationaler Ebene Maßnahmen ergriffen werden. Wenn etwa Benzin, Heizöl und Erdgas teurer werden, gibt es nicht viele Optionen: Klimafreundliche Technologien müssen erschwinglich werden, damit die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen umstellen können. Wer also A (Emissionshandel) sagt, muss auch B (also die politische Umsetzung) sagen. Das macht die Union in ihrem Wahlprogramm mit Bedacht nicht. Vermutlich, weil sie dann bei ähnlichen Maßnahmen landen würde, wie sie die Grünen vorschlagen.
Schlechtes Verhältnis: Markus Söder (CSU) und Robert Habeck (Grüne)
Sven Hoppe / dpa
Beispiel Heizungsgesetz: Die Union will das jetzige Heizungsgesetz abschaffen und setzt laut Wahlprogramm »auf CO2-Bepreisung mit sozialem Ausgleich, verlässliche Förderung und technologieoffene Lösungen«. Das läuft aber im Grunde auf genau das hinaus, was es bereits jetzt gibt. Eine CO2-Bepreisung existiert bereits (seit 2021), und ab 2027 führt die EU einen zweiten Emissionshandel auch für Gebäude ein. Da gibt es nichts mehr zu beschließen.
Bereits da ist auch, dank Heizungsgesetz, eine staatliche Förderung für eine neue klimafreundliche Heizung(bei Umstellung auf erneuerbare Wärme gibt es bis zu 70 Prozent der Kosten erstattet). Und auch »technologieoffen« ist das Gesetz jetzt schon, von einer 100 Prozent wasserstofffähigen Gasheizung bis zur Wärmepumpe kann man sich alles fördern lassen, nur erneuerbar muss man damit perspektivisch werden können.
Würden sich beide Seiten in Sachen Heizung annähern, gebe es eigentlich keine großen Differenzen. Einzig die Schwerpunkte könnten sich verschieben: von einer von den Grünen gewollten Elektrifizierung hin zu mehr grünen Molekülen, als »Grüngas« oder »Grün-Heizöl«, wie es die Union im Programm nennt. Dahinter verbirgt sich grüner Wasserstoff, für den erst Netze gebaut werden müssten und den es bisher in Deutschland nur in homöopathischen Mengen gibt und eigentlich für die Industrie gebraucht wird. Zweiteres sind sogenannte E-Fuels als synthetisch hergestellte grüne Kraft- und Brennstoffe, die viel Ökostrom benötigen und bisher überhaupt nicht verfügbar sind. Beide Lösungen sind kostspielig – Wärmepumpen sind da im Vergleich ein Schnäppchen. Für bestimmte Branchen sind diese Lösungen
sinnvoll, etwa Wasserstoff in der Industrie. Das fördern die Grünen aber auch bereits.
Die Konservativen tun sich grundsätzlich schwerer mit dem Abschied von alten Technologien wie der Atomkraft und flüssigen Kraftstoffen. Dabei sind neue AKW und synthetische Kraftstoffe schlicht zu teuer. An einer großflächigen Elektrifizierung kommt dagegen keine Regierung vorbei, die es mit den Klimazielen ernst meint.
Die größten Unterschiede zwischen beiden Parteien liegen eher in der Frage der Finanzierung – Stichwort Schuldenbremse und Umverteilung –, aber weniger bei den Maßnahmen und Zielvorgaben selbst. Die gute Nachricht: Darüber, dass Deutschland energiefreundlich umgebaut werden muss, herrscht Einigkeit. Das geht im derzeitigen Wahlkampfgetöse unter.
Vielleicht gibt Ihnen das, liebe Leserinnen und Leser, etwas Hoffnung fürs neue Jahr. Sich aufeinander zuzubewegen, hat nichts mit Schwäche, sondern mit Stärke zu tun, wie groß die Gräben auch sein mögen. Vielleicht sollte man Kompromisse im Privaten wie Politischen nicht immer als »einknicken« und »verwässern« anprangern, sondern als Wille, Spaltungen zu überwinden. Denn diese gibt es in dieser Welt aktuell leider mehr als genug.
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Markus Söder und Friedrich Merz: Ist die Grünenhetze nur Wahlkampfgetöse?
Erderhitzung: 2024 wärmstes Jahr seit Messbeginn Noch nie ist es in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts so warm gewesen wie dieses Jahr. Das zeigen Daten des Deutschen Wetterdienstes. Eine Folge der Erderwärmung: intensivere Wetterextreme.
Grünen-Wahlprogramm: Klimaschutz soll nicht wehtun Subventionen für E-Autos, Unterstützung niedriger Einkommen, Klimageld – in ihrem Wahlprogramm ziehen die Grünen die Lehre aus dem Desaster um die Novelle des Heizungsgesetzes von Wirtschaftsminister Robert Habeck.
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